An der Rudolf Steiner Schule Winterthur interessierten Eltern stellen sich vielfach weitere pädagogischen Fragen. Nachfolgend wird auf die häufigsten eingegangen.
20 Fragen an die Rudolf Steiner Schule Winterthur
Welche Kinder werden an der Rudolf Steiner Schule aufgenommen?
Steiner Schulen stehen grundsätzlich allen Kindern offen – unabhängig von Religion, Hautfarbe, Geschlecht und Einkommen der Eltern. Nach ausführlichen Informations-Elternabenden in der Schule, findet mit den Eltern des Kindes ein Aufnahmegespräch statt. Es werden Kinder sowohl für die 1. Klasse als auch Quereinsteiger in höhere Klassenstufen aufgenommen.
Wer war Rudolf Steiner, und was hat er mit der Steinerschul-Pädagogik zu tun?
Rudolf Steiner gründete 1919 die erste Waldorfschule in Stuttgart. Die Idee dazu ging von Emil Molt aus, dem fortschrittlich gesinnten und sozial engagierten Besitzer der Waldorf Astoria Zigarettenfabrik, der eine neue Schule für die Kinder seiner Arbeiter einrichten wollte. Inhalt und Methode der Waldorfpädagogik beruhen auf Rudolf Steiners Erkenntnissen über die Gesetzmässigkeiten der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Neben der Pädagogik fanden Rudolf Steiners geisteswissenschaftliche Forschungen auch Eingang in die biologisch-dynamische Landwirtschaft, die Medizin und die Kunst.
Muss ein Kind musisch begabt sein, damit es für die Rudolf Steiner Schule geeignet ist?
Nein, die Rudolf Steiner Schule ist eine Schule für alle Begabungsrichtungen. In der künstlerischen Betätigung geht es sowohl um die Fähigkeitsbildung als auch um den Prozess. Am Prozess erüben die Kinder und Jugendlichen eine Vielzahl von Fähigkeiten über das rein künstlerische Gestalten hinaus. Die Lehrpersonen sind bestrebt, die kognitiven Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler ebenso zu fördern wie die handwerklich-künstlerischen.
Ist es nicht so, dass hauptsächlich Kinder mit Lernschwierigkeiten eine Rudolf Steiner Schule besuchen?
Nein. Für Kinder, die Teilleistungsschwächen haben, gibt es – wie im staatlichen Schulsystem auch – besondere Rudolf Steiner Schulen: die heilpädagogischen Förderschulen. An Rudolf Steiner Schulen, die nicht ausdrücklich solche Sonderschulen sind, lernen Kinder aller Begabungsrichtungen wie an den staatlichen Regelschulen auch, nur dass hier neben intellektuellen Fähigkeiten gleichgewichtig auch soziale und handwerklich-künstlerische Fähigkeiten angesprochen werden.
Stimmt es, dass Rudolf Steiner Schulen immer sehr grosse Klassen haben?
Das ist von Schule zu Schule verschieden. Aber es ist richtig, dass an der Winterthurer Rudolf Steiner Schule eine Klasse bis zu 25 SchülerInnen stark sein kann. In vielen Fächern werden dann die Klassen allerdings in zwei Gruppen geteilt.
Stimmt es, dass es an der Rudolf Steiner Schule keine Noten und kein Sitzenbleiben gibt?
Individuell formulierte Zeugnisse geben am Schuljahresende Auskunft über die Lernfortschritte eines jeden Schülers und einer jeden Schülerin. Ab der Oberstufe werden zusätzlich zum Wortzeugnis auf Wunsch, und ab der 9. Klasse obligatorisch, Noten erteilt. Es wird darauf Wert gelegt, dass Wissen zum bleibenden Besitz wird und zur Fähigkeitsbildung beiträgt. Individuelle Lernziele können im Hinblick auf die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen auch individuell vereinbart werden. Niemand bleibt sitzen.
Ohne Noten und ohne Sitzenbleiben: Sind die Kinder dann überhaupt zum Lernen motiviert?
Schülerinnen und Schüler bringen von sich aus einen ausgeprägten Lernwillen mit. Dieser wird unterstützt, indem ein vertrauensvoller Umgang mit der Lehrperson und die gemeinsame Arbeit in einer gesunden Klassengemeinschaft gepflegt werden. Spannende Lerninhalte, die die Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen ansprechen und eine achtsam gestaltete Lernumgebung sorgen für optimale Voraussetzungen fürs individuelle und gemeinschaftliche Lernen.
Wie geht es weiter, nachdem mein Kind seine Schulzeit an der Rudolf Steiner Schule abgeschlossen hat?
Die Praxis zeigt, dass gerade Schülerinnen und Schüler von Rudolf Steiner Schulen von Ausbildern besonders geschätzt werden. In einer Schule, die nicht nur die intellektuellen Fähigkeiten anspricht, können sich Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit, Kreativität und die Fähigkeit, prozessual zu denken, vom ersten Schultag an entwickeln. Schülerinnen und Schüler der Rudolf Steiner Schulen studieren und arbeiten erfolgreich in allen Studien- und Berufsfeldern.
Welche Abschlüsse können an einer Rudolf Steiner Schule gemacht werden?
Nach der 9. Klasse haben unsere Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, ihre Schulzeit an der Atelierschule Zürich fortzusetzen. Dort besteht die Möglichkeit, einen Abschluss auf IMS-F oder IMS-B Niveau zu machen oder die eidgenössisch anerkannte Matur zu absolvieren. Weitere Optionen nach der 9. Klasse sind Übertritte in eine Berufslehre oder andere weiterführende Schulformen.
Ist die Rudolf Steiner Schule teuer?
Obwohl Rudolf Steiner Schulen erwiesenermassen besser wirtschaften als Regelschulen, sind sie auf Elternbeiträge angewiesen. Zwar ist im Grundgesetz das Recht auf freie Schulwahl verankert, aber es gibt keine Zuschüsse der öffentlichen Hand an die Privatschulen. Nachdem ein Kind pädagogisch aufgenommen worden ist, findet das Finanzgespräch mit der Geschäftsführung statt. Dabei wird gemäss dem Familieneinkommen und unserer Beitragstabelle das Schulgeld festgelegt und das Elternbeitragsversprechen erstellt. Dies ist immer für ein Schuljahr gültig und wird entsprechend erneuert. Es ist ein Prinzip der Rudolf Steiner Schulen, kein Kind aus finanziellen Gründen abzulehnen.
Die Rudolf Steiner Schulen nennen sich „freie Schulen“. Heisst das, dass die Schülerinnen und Schüler dort antiautoritär erzogen werden?
Nein. Die Lehrpersonen bauen im Gegenteil in der Elememntarstufe ein von „liebevoller Autorität“ geprägtes Verhältnis zu ihren Schülerinnen und Schülern auf. Kinder suchen ihre Grenzen. Nur wenn sie ihre Grenzen von den Erwachsenen erfahren, fühlen sie sich einerseits sicher und erleben sich andererseits als eigene Persönlichkeit. Im Laufe der Schulzeit wandelt sich das Lehrer-Schüler-Verhältnis mit der Entwicklung der Heranwachsenden. "Freie Schule" heisst, dass der Lehrplan der Steiner Schule nicht kongruent ist mit dem Lehrplan der öffentlichen Schule. Der Lehrplan der Steiner Schule orientiert sich in Inhalt und Unterrichtsgestaltung an den Erkenntnissen Rudolf Steiners zur Entwicklung des Kindes. Die Lernziele der Steiner Schule in den einzelnen Klassenstufen entsprechen denen der öffentlichen Schule.
Warum führt eine Klassenlehrperson eine Klasse durchgehend sechs Jahre?
In einer Gemeinschaft, die von Beständigkeit und Rhythmus geprägt ist, können Kinder sich gesund entfalten. Um die Lernschritte der Kinder optimal unterstützen zu können, begleitet die Klassenlehrperson die Klasse möglichst über sechs Jahre im Unterricht. Dadurch entsteht Vertrauen und eine optimale Förderung im Unterricht.
Kann eine Lehrperson in allen Fächern überhaupt qualifiziert unterrichten?
Die Lehrpersonen an Steiner Schulen haben eine Ausbildung, die sie für den Unterricht in vielen Fächern befähigt. Fremdsprachen und andere Nebenfächer werden von ausgebildeten Fachkräften durchgeführt. Durch fortlaufende Weiterbildung und Selbsterziehung können sie den besonderen Erfordernissen gerecht werden und den anspruchsvollen Unterrichts- und Bildungsauftrag erfüllen.
Was versteht man unter Epochenunterricht?
Im Epochenunterricht, der jeweils in den ersten zwei Morgenlektionen stattfindet, widmet sich die Klasse über drei bis vier Wochen hindurch ausschliesslich einem Fachgebiet. Dadurch findet eine gründliche Vertiefung in einem Thema statt. So kann zum Beispiel das Fach Geschichte über drei Wochen andauern und im Anschluss daran hat die Klasse vier Wochen Geometrie. Andere Fächer wie Mathematik, Deutsch, Fremdsprachen und die handwerklich-künstlerischen Fächer werden dagegen in wiederkehrenden Wochenlektionen unterrichtet.
Worin unterscheiden sich überhaupt Rudolf Steiner Schulen von anderen Schulen?
Rudolf Steiner Schulen gewichten die kognitive und handwerklich-künstlerischen Fächer gleich. Pestalozzi postulierte, dass Pädagogik den werdenden Menschen in seinen Fähigkeiten mit Kopf, Hand und Herz ansprechen sollte. Rudolf Steiner entwickelte die pädagogische Forderung, dass Pädagogik keine einseitige Vermittlung von Wissen sei, sondern als "Menschwerdung" zu betrachten sei und den werdenden Menschen in seinem Denken, Fühlen und Wollen anzusprechen soll. Deshalb werden Fächer Theaterprojekte, Eurythmie, Gartenbau und andere ebenso gewichtet wie die kognitiven Fächer.
Wie werden die Schülerinnen und Schüler in der Oberstufe auf die Berufswelt vorbereitet?
Schülerinnen und Schüler, die in die Oberstufe kommen, ergänzen ihre handwerklich-praktischen Fähigkeiten in verschiedenen Praktika:
In der 9. Klasse besuchen sie ein dreiwöchiges Landwirtschaftspraktikum und ein Berufspraktikum ihrer Wahl. Hier bekommen sie Einblicke in die Berufswelt und orientieren sich ihren Neigungen entsprechend.
In der Atelierschule besuchen sie in der 10., 11. und 12. Klasse verschiedene Lager im Bereich Kunst und Naturwissenschaft. Sie absolvieren ein Sozialpraktikum und arbeiten in verschiedenen Schulprojekten mit. Dabei gewinnen die Jugendlichen nicht nur einen Einblick in die einzelnen Berufe, sondern schulen sich auch in sozialen und fachlichen Bereichen.
Kommt die Vorbereitung auf die Abschlüsse nicht zu kurz, wenn an der Steinerschule so viele Praktika stattfinden, wenn Theater gespielt und handwerklich gearbeitet wird?
Nein. Die Projekte finden im Rahmen der obligatorischen Unterrichtszeit statt. Der Wechsel von kognitiven Fächern und künstlerischer Betätigung belebt und steigert die Leistungsbereitschaft. Schülerinnen und Schüler, die ihre Matur oder IMS Abschlüsse an der Atelierschule machen, schliessen meist überdurchschnittlich gut ab.
Werden die Kinder an der Steinerschule weltanschaulich unterrichtet?
Nein. Die Rudolf Steiner Schule ist konfessionell nicht gebunden. Rudolf Steiner geisteswissenschaftlichen Erkenntnisse sind nicht Gegenstand des Unterrichtes.
Was hat es mit dem Fach Eurythmie auf sich?
Eurythmie ist eine Bewegungskunst, die bis zur 12. Klasse ein- bis zweimal wöchentlich stattfindet. Sie spricht Kinder und Jugendliche in ihrem Bewegungsbedürfnis an, wirkt ausgleichend und gemeinschaftsfördernd. Im Klassenverband und in klassenübergreifenden Projekten werden je nach Altersstufe auch grosse Werke auf die Bühne gebracht. In den Quartalsfeiern zeigen Klassen, an was sie im Unterricht geübt haben.
Was für ein Gewicht haben die naturwissenschaftlichen Fächer?
Kommt der Computer in der Schule zum Einsatz?
Mathematik, Physik und Chemie werden in Epochen unterrichtet und genauso gewichtet wie alle anderen Fächer. Mathematik wird ausserdem noch in wöchentlichen Fachlektionen berücksichtigt. Digitale Technik spielt sowohl im täglichen Unterricht als auch bei den Hausaufgaben keine Rolle. Ab Klasse 8 bzw. Klasse 9 werden in wöchentlichen Lektion Grundlagen der Textverarbeitung und Informationskompetenz vermittelt. Da Kinder und Jugendliche heute nicht nur Medienkonsumenten, sondern auch Produzenten sind, werden medienpädagogische Grundlagen vermittelt und spannende Filmprojekte unter fachkundiger Anleitung umgesetzt.